Gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (weiter „DSA“) kann der Koordinator für digitale Dienste („DSC“) Organisationen als außergerichtliche Streitbeilegungsstellen (out-of-court-dispute-settlement-Stellen oder schlichtweg „ODS-Stellen“) zertifizieren.
Eine ODS-Stelle ist für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Nutzern von Online-Plattformen im Sinne des DSA, und den Anbietern dieser Dienste zuständig.
Die Zertifizierung zielt auf die Anerkennung von Einrichtungen ab, die strukturell unabhängig und unparteiisch, Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Anwendung der Bestimmungen des DSA, insbesondere in Zusammenhang mit den von den Anbietern von Online-Plattformen getroffenen Maßnahmen in Bezug auf Meldungen, Beschwerden oder Inhaltsbeschränkung, beilegen können.
Die Anbieter von Online-Plattformen müssen, nach Treu und Glauben, mit der vom Nutzer gewählten zertifizierten außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle zusammenarbeiten, um die Streitigkeit beizulegen. Sie können die Zusammenarbeit nur verweigern, wenn ein Streit bezüglich derselben Informationen und derselben Gründe für die mutmaßliche Rechtswidrigkeit der Inhalte oder ihre mutmaßliche Unvereinbarkeit bereits beigelegt wurde.
Wie unten verdeutlicht, hat das BIPT im belgischen Kontext wenigstens eine einzigartige Schalterfunktion für (potenzielle) ODS-Stellen.
Das BIPT informiert Sie weiter im Allgemeinen über die Bedingungen für die Anerkennung für ODS-Stellen und über die nach der Anerkennung geltenden Verpflichtungen. Die Entscheidungen der zuständigen Behörde(n) haben jedoch Vortritt vor den informativen Inhalten dieser Website.
1. Der belgische Kontext und die Zuständigkeiten
Laut dem DSA ist der DSC des Niederlassungslandes der (potenziellen) ODS-Stelle für die Zertifizierung zuständig, auch wenn zum Beispiel die Plattform, wofür der Kandidat Streitigkeiten beilegen möchte, in einem anderen Land der EU niedergelassen sein würde.
In Belgien ist das Belgische Institut für Postdienste und Telekommunikation (BIPT) als Koordinator für digitale Dienste benannt worden.
Einrichtungen, die den Status der zertifizierten außergerichtlichen Beilegungsstelle bekommen wollen, können ihren Antrag beim BIPT an die folgende E-Mail-Adresse stellen: dsa@bipt.be.
Weil die Anwendung der DSA-Verordnung mehrere Zuständigkeiten auf föderale Ebene und auf Gemeinschaftsebene betrifft, werden in Belgien 4 zuständige Behörden benannt:
- Für die föderale Ebene wurde das BIPT durch das Gesetz vom 21. April 2024 benannt,
- Der Vlaamse Regulator voor de Media (VRM) wurde durch das Dekret vom 26. Januar 2024 von der Flämischen Gemeinschaft benannt,
- Der Conseil Supérieur de l’Audiovisuel (CSA) wurde durch das Dekret vom 15. Februar 2024 von der Französischen Gemeinschaft benannt,
- Der Medienrat wurde durch das Dekret vom 01. März 2021 von der Deutschsprachigen Gemeinschaft benannt.
Jede zuständige Behörde ist verantwortlich, den Status von ODS-Stelle an Einrichtungen, die angesichts der belgischen Zuständigkeitsverteilung in ihrer Zuständigkeit fallen, zuzuweisen.
Der Koordinator für digitale Dienste benennt die zuständige(n) Behörde(n). Diese wird/werden den Antrag dann weiterhin behandeln und eine Entscheidung treffen.
Zuständige Behörden benachrichtigen einander. Das BIPT ist für die Beziehungen mit der Europäischen Kommission und den Koordinatoren für digitale Dienste in anderen EU-Ländern in Bezug auf außergerichtliche Streitbeilegung, verantwortlich.
2. Zertifizierungsbedingungen
Für die Zertifizierung muss die Streitbeilegungsstelle zeigen, dass sie die nachstehenden Bedingungen, gemäß Artikel 21 des DSA, erfüllt:
1. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
Die Stelle muss unparteiisch und unabhängig, einschließlich finanziell unabhängig, von Anbietern von Online-Plattformen und von den Nutzern der von diesen Plattformen erbrachten Dienste und auch von den meldenden Personen oder Einrichtungen, sein.
2. Fachkompetenz
Die Streitbeilegungsstellen haben die erforderliche Sachkenntnis in Bezug auf Fragen, die sich in einem oder mehreren bestimmten Bereichen rechtswidriger Inhalte ergeben, oder in Bezug auf die Anwendung und Durchsetzung der allgemeinen Geschäftsbedingungen einer oder mehrerer Arten von Online-Plattformen.
3. Neutralität
Die Mitglieder der Stelle werden auf eine Weise vergütet, die nicht mit dem Ergebnis des Verfahrens im Zusammenhang steht.
4. Barrierefreiheit
Die angebotene außergerichtliche Streitbeilegung ist über elektronische Kommunikationsmittel leicht zugänglich, auch für behinderte Nutzer, und es besteht die Möglichkeit, die Streitbeilegung online einzuleiten und die erforderlichen einschlägigen Dokumente online einzureichen.
5. Effizienz und Pünktlichkeit
Die Stelle sollte in der Lage sein, Streitigkeiten rasch, effizient und kosteneffizient beizulegen. Die Streitigkeiten müssen innerhalb einer angemessenen Frist, wobei spätestens 90 Kalendertage als Ausgangspunkt gilt.
6. Transparenz der Verfahren
Die angebotene außergerichtliche Streitbeilegung erfolgt nach klaren und fairen Verfahrensregeln, die leicht und öffentlich zugänglich sind, und die mit dem belgischen und europäischen Recht, einschließlich des DSA, vereinbar sind.
7. Sprachanforderungen
Die Stelle muss Streitigkeiten in mindestens einer der offiziellen Sprachen der EU beilegen können.
3. Antragsverfahren
Der Zertifizierungsantrag soll schriftlich beim BIPT eingereicht werden und soll mindestens folgende Sachen enthalten:
- die Satzung oder eine andere Art Gründungsurkunde (aktuelle Version),
- die Geschäftsordnung und/oder Beschreibung der internen Organisation,
- die Beschreibung des finanziellen und funktionellen unabhängigen Charakters der Stelle, inklusive eingeplanter Garantien dafür,
- den Lebenslauf und die Qualifikationen der Streitbeileger,
- die Umschreibung der Verfahrensleistung und der Zugangsmodalitäten, einschließlich der Anrechnung der Kosten, die dem Nutzer des Dienstes und dem Anbieter des Dienstes angerechnet werden,
- die technische Beschreibung der digitalen Zugangsinfrastruktur,
- den Vorschlag von Kommunikations- und Transparenzmitteln für Nutzer,
- eventuell benutztes Kostenmodell für die Kostenanrechnung an Parteien.
Das BIPT behält sich das Recht vor, zusätzliche Auskünfte zur Überprüfung der Übereinstimmung mit dem DSA anzufordern, falls es die zuständige Behörde für die Zertifizierung ist.
4. Bewertung und Entscheidungsfindung
Nach Empfang eines vollständigen Dossiers überprüft das BIPT oder eine andere in Belgien zuständige Behörde, ob der Kandidat die im DSA bestimmten Kriterien erfüllt. Im Falle einer positiven Bewertung wird eine Zertifizierungsentscheidung getroffen.
Jede in Belgien zertifizierte Behörde wird in die Liste von zertifizierten Stellen für außergerichtliche Streitbeilegung der Europäischen Kommission aufgenommen.
Eine Zertifizierungsentscheidung gilt für maximal fünf Jahre, aber die Zertifizierung kann verlängert werden.
5. Kontakt und zusätzliche Informationen
Für weitere Auskünfte oder für die Einreichung eines Zertifizierungsantrags, können Sie Kontakt mit dem BIPT über dsa@bipt.be aufnehmen.
Verpflichtungen von zertifizierten Streitbeilegungsstellen
1. Berichterstattungspflicht
Die zertifizierte Streitbeilegungsstelle verfasst jährlich einen öffentlichen Tätigkeitsbericht, worin unter mehr die nachstehenden Elemente aufgenommen werden:
- die Anzahl der empfangenen Streitigkeiten,
- Informationen über die Ergebnisse der Streitigkeiten,
- den durchschnittlichen Erledigungsdauer,
- festgestellte Mängel oder Schwierigkeiten, wie Verweigerungen der Zusammenarbeit von Online-Plattformen,
- eventuelle Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise.
2. Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden
Die zertifizierte Stelle arbeitet aktiv mit dem BIPT und anderen zuständigen Behörden zusammen, z. B.
- wann zuständige Behörden Meldungen systemischer Verstöße oder wiederholter Nichteinhaltung von DSA-Verpflichtungen von Online-Plattformen überprüfen oder,
- bei der Verfassung des Berichts über das Funktionieren der von ihnen zertifizierten außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen, den der DSC alle zwei Jahre verfassen muss.
3. Einhaltung der Zertifizierungsbedingungen
Eine gemäß Artikel 21 des DSA zertifizierte Einrichtung soll ständig die Zertifizierungsbedingungen erfüllen.
Falls das BIPT oder eine andere zuständige Behörde feststellt, dass eine zertifizierte Stelle die DSA-Bedingungen nicht mehr erfüllt, kann es die Zertifizierung vollständig oder teilweise aufheben, nachdem es der Stelle die Möglichkeit geboten hat, auf die Untersuchungsergebnisse und auf die Absicht, die Zertifizierung der außergerichtliche Streitbeilegungsstelle aufzuheben, zu reagieren.